E X I L   Re - vue

(Produktion 1990)

TANZTHEATER Susanne Hajdu - 'EXIL' - Produktion 1990

EXIL re - vue
EXIL ist mehr als Ortswechsel
EXIL ist Ausgesperrtsein
EXIL ist nie freiwillig, manchmal selbstbestimmt

TANZSTÜCK für eine Ballerina, eine Radfahrerin, eine Braut, einen Faun, für Carmen, einen Fremdling, eine Frau im Anzug und ein Turnpferd.

Künstlerische Leitung und Choreographie: Susanne Hajdu
Organisatorische Leitung: Josephine Amschl
Tänzer/innen: Monika Zörrer (Ballerina), Walter Wittich (Faun), Riki Hörandl (die Frau im Anzug), Susanne Hajdu (die Braut)
Darsteller/innen: Erwin Stadler (der Fremdling), Evelin Roboz (Radfahrerin), Silvana Madureira (Carmen)
Licht und Lichttechnik: Irene Krassnitzer
Ton, Photos: Ulrike Seifert
Tontechnik: Brigitta Ehrenfreund
Toncollage: Susanne Hajdu
Graphik: Alice Götz
Wir danken Ann Wittig für ihre Mitwirkung.

Aufführungsorte: Messepalast Halle F Wien, Theatre Le Ranelagh Paris
Gefördert: BMUKS, Musisches Zentrum Wien, Werbeagentur Kolm, Wien Kultur

TANZTHEATER Susanne Hajdu

Tanz und formal nicht dem Tanz zuortbare Formen werden nebeneinandergestellt punktuell oder vollständig ineinander verschmolzen. Die Choreographin und Historikerin arbeitet mit dem politischen, historischen Sujet als assoziativem Gestaltungselement: Hier ein Tanztheater künstlicher Exilfiguren in ihrer zur Schau gestellten Einsamkeit.
Der Tanz, seine Demontage und die atmosphärische Schicht, die über den Stücken liegt, werden zur Demontage starrer gesellschaftlicher Muster. Die Dekonstruktion des klassischen Balletts durch Zerlegen in Einzelelemente, Unterbrechungen Wiederholungen und durch Verformung ist zunächst der mögliche Schritt einen neuen Ausschnitt zu zeigen, der Tradiertes aufbricht und ironisiert. Die typisierten Charaktere der Tänzer/innen und Darsteller/innen - bewußt emotional distanziert - werden zu gestaltenden Trägern des choreographischen Prozesses, der in ein durchkonstruiertes Konzept mündet; jedes Pathos zensurierend, jede Entlastung durch Tanz ironisierend.
Die Organisation des Raumes, Licht und Ton vernetzen die Inszenierung des äußeren und des emotionalen Geschehens.
Die Zuseher sind konsquent integrativer Bestandteil des Stückes - hier wird eine gemeinsame Welt imaginiert: die Welt der Gewalt, Erotik, Ironie, der Widersprüche und Fragen, eine Welt, die das Gegenteil von Exil nicht kennt.

VERBANNUNGSORT, ZUFLUCHTSTÄTTE wieder - gesehen

"Wie es wirklich war, wollen Sie wissen. Sie werden es nie erfahren. Niemand wird es je erfahren. Niemand wird es sich vorstellen können, der nicht Ähnliches erlebt hat."
(Charlotte Beradt, freie Journalistin in Berlin bis 1933, 1939 nach England emigriert, seit 1940 in New York)

 
TANZTHEATER Susanne Hajdu - 'EXIL' - Produktion 1990
 

PRESSESTIMMEN:
TANZTHEATER SUSANNE HAJDU EXIL - RE-VUE
"Politisches Theater, das sich an aktuellen Themen festmacht, ist selten geworden, Tanztheater, das tagespolitische Ereignisse zum Ausgangspunkt wählt noch rarer. Doch gerade in dieser Hinsicht zeigt Susanne Hajdu Konsequenz, geht es ihr doch darum, Zeitgeschichtliches in ihren Stücken aufzuarbeiten. Mit 'Exil - Re-vue' hat sie ein besonders brisantes Thema der gegenwärtigen österreichischen Innenpolitik gewählt und seine Aktualität als ständig wiederkehrende Situation und als existentiellen Zustand bearbeitet.
Das Rad der Geschichte vermittelt Hajdu durch eine Radfahrerin, die immer wieder in Kostümen verschiedener Perioden erscheint und den Konflikt auf den Satz 'Stört Sie das Fahrrad?' reduziert. Die formalen Beziehungen bzw. Beziehungslosigkeit der übrigen Akteure differenzieren die gesellschaftlichen Haltungen bzw. Stellungen und vermitteln gleichzeitig die Exil-Situation der Individuen als ein gesamtgesellschaftliches Phänomen der Isolation. Die Protagonisten - eine Ballerina, eine Braut, ein Faun, Carmen, ein Fremdling, eine Frau im Anzug - charkterisiert durch verschiedene Bewegungsmotive, sind zeitlos. Station der Wanderschaft, Ort des Exils ist ein Turnpferd, das sie übersteigen, überspringen, von dem sie abprallen, auf das sie zurückfallen, an dem sie hängen- oder liegenbleiben.
Hajdus Revue zu einer geschickt gemischten Toncollage (inklusive Wagner) ist eine konsequent eingelöste Umsetzung ihres intellektuellen Anspruchs. Sie ist ihrem Stil treu geblieben: spröde, emotionslos, introvertiert liefert sie ihre Aussage. Daß ihre Bildersprache dennoch sinnliche Kraft beinhaltet, ist ihrer unbestechlichen Logik zu verdanken, mit der sie die einzelnen Elemente verknüpft und mit der sie jede Geste und jeden Ton zielsicher platziert. Ich könnte mir auch keinen besseren Ort für diese Produktion denken als die Halle F des Messepalastes, die - dem Thema gemäß - die unpersönliche Atmosphäre eines Warteraums in sich trägt.
TANZ - AFFICHE: Edith M. Wolf Perez

Exilanten passieren Revue
Wien - Exil-Re-vue - ... - ist Susanne Hajdus fünfte abendfüllende Produktion seit 1986. In ihren bisherigen Choreographien hat sie von einem feministischen Standpunkt ausgehend, politisch-historische Themen behandelt. So auch in ihrer neuesten Kreation, die sich mit dem Exil auseinandersetzt... In ihrer als Revue konzipierten Inszenierung läßt sie 'Exilanten' defilieren. Sie kommen als anonyme Gruppe in Mänteln (so verlassen sie zum Schluß auch wieder die Bühne), die sie ablegen und ihre Rolle preisgeben.
Alle sind von großen Hoffnungen erfüllt, geben sich selbstsicher in ihren stilisierten, klischeehaften Rollen. Die Ballerina trippelt auf Spitze, der Faun übt sich selbstsicher in klassischen Grundpositionen, die Radfahrerin tritt in diversen engen Kleidern, ihr Farrad schiebend, auf. Diese Kombinationen zeigen den Leitfaden...
Die weiße, von grellem Licht durchflutete Halle wird von einem Turnpferd dominiert, das als Symbol für die zu überwindenden Hürden gelten kann. Man nimmt diese Hürde anfangs noch voller Elan doch geht er sukzessive in Ablehnung über. Mit der Zeit verlieren sich alle Wünsche und Hoffnungen, keiner fühlt sich mehr wohl in seiner Haut.
Susanne Hajdu bleibt mit diesem Stück ihrem seit Jahren konsequent verfolgten, emotionslosen, minimalistischen Stil treu.
DER STANDARD: Ursula Kneiss

TANZTHEATER IM MESSEPALAST
'Einzelgänger sind sie. Die Braut, die Ballerina, der Faun, der Fremdling. Sie erzählen nichts, bleiben emotionslos, finden gelegentlich im Gleichschritt in kleinen Formationen zusammen. Das Turnpferd können sie zuerst noch erklimmern (sic!), doch das Scheitern scheint vorprogrammiert zu sein.
"EXIL re-vue" betitelt Susanne Hajdu ihre (sic!) neues Tanztheater- Stück mit ihrem Ensemble im Wiener Messpalast. Hajdus Stärken: ausgeprägtes Stilgefühl, Geschmack für Apartes, ... soziales Engagement und Gedankentiefe. ...'
KRONENZEITUNG: M.

Tanztheater der Einsamkeit
'Da sage noch einer, daß Wiens Tanzszene nicht lebt. ... Spürbar bleibt vor allem die von den künstlichen Exilfiguren zur Schau gestellte Einsamkeit in einer durch kalte Neonröhren begrenzten Straße, die zu einer Art Laufsteg wird...
... vor allem die Freude an Susanne Hajdus herb-sprödem, 'leidenschaftslosem' und oft witzig-originellem Formenvokabular...
... mit einem gehörigen Schuß Ironie: wenn sich Carmen 'verweigert' oder wenn die Radfahrerin immer wieder fragt: 'Stört Sie mein Rad?'. Natürlich stört es nicht...
... das gilt vor allem auch für Hajdus Toncollage zwischen Straßenbahngeräusch und knallharter, ostinater ... Computerrhythmik, die sie ... köstlich 'vertanzt'.'
Wiener Zeitung: H.G.Pribil